Auf der Suche nach dem Gleichgewicht by Paul Schenke

Auf der Suche nach dem Gleichgewicht by Paul Schenke

Autor:Paul Schenke [Schenke, Paul]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-06T22:00:00+00:00


»Ja, ein wenig. Magst du in der Wohnung noch ein Glas Wein mit mir trinken?«

Ich nickte, stand auf und folgte ihr ins Wohnzimmer. Dabei ertappte ich mich, wie ich ihre Figur betrachtete, als sie vor mir herlief. Sie trug eine schwarze Hose, eine weiße Bluse und ihr Gang glich einem Schweben. Ich glaubte jede Teppichfaser jubeln zu hören, die ihre Füße berührten.

Mit einem gewissen Abstand, setzte ich mich zu ihr auf das Sofa. Nun durchzog auch mich der kühle Windhauch des Abends und ich schüttelte mich kurz. Kerstin lachte, stand auf, schloss die Balkontür und reichte mir schließlich eine dunkelbraune Corddecke. Kerstin hüllte sich ebenfalls in eine Corddecke, nahm ihr Weinglas wieder in die Hand und sah mich lächelnd an.

Im Verlauf des Abends lagen wir schließlich auf dem Sofa. Es war eine Sitzgarnitur in Form eines L. Während ich mit angewinkelten Beinen auf dem Zweiterteil lag, lag sie auf dem größeren Teil, auf dem Bauch. Unsere Gesichter waren eine handbreit voneinander entfernt und ich glaubte, nein ich hoffte, sie würde noch ein wenig näher kommen. Dann hätte ich es gewagt sie zu küssen. Sie kam jedoch nicht näher. Hoffte sie, dass ich näher kam? Ich beließ es dabei. Wir redeten und lachten. Keinem fiel auf, dass es immer dunkler wurde und unsere Umrisse nur noch durch den Schein der Kerze auf dem Tisch zu erkennen waren. Aus den Boxen spielte Barry White The First - The Last......und ich wünschte mir Anes Gabe zu besitzen um die Zeit anhalten zu können.

Ich hatte nie ein Zuhause! Wir waren zu Lebzeiten viel auf der Flucht und als wir endlich unseren Platz zum Bleiben fanden, verstarben meine Eltern. Ich übernahm die Mühle und noch bevor ich diese weiter ausbauen konnte, fiel ich vom Mühlendach. „Da oben“ ist kein Zuhause! Das war mein Arbeitsplatz! Aber hier und jetzt, genau an diesem Ort fühlte ich mich Zuhause. Das lag nicht an der Wohnung, nicht an dem Ort, es lag an Kerstin. Da wo sie war, da fühlte ich Zuhause sein. Ich fühlte mich wohl. Dennoch traf mich auch die Erkenntnis wieder, dass ich es mir nicht allzu sehr gemütlich machen durfte, denn dieses Zuhause würde mir bald genommen werden, oder besser ich nehme es uns weg. Ich würde es tun müssen.

»Was ist falsch?«, fragte und richtete sich ein wenig auf, während sie mich erwartungsvoll ansah.

»Falsch?«, fragte ich nach. Hatte ich etwa wieder nicht zugehört?

»Du sagtest gerade, dass es falsch sei«, lächelte sie.

Ich habe sicher laut gedacht und antwortete:

»Ach nichts ist falsch. Es ist alles wunderbar und richtig. Ich dachte nur gerade an etwas anderes. Also nichts, was mit dir und mir zu tun hat.«

Kerstin schien sichtlich erleichtert und antwortete:

»Aber ich weiß was falsch ist. Nämlich dass du jetzt nach dem ganzen Wein nach Hause fährst. Es ist daher meine Pflicht, dir das Sofa anzubieten.«

»Nein Nein«, antwortete ich. »Nein, keine Umstände. Ich kann doch ein Taxi nehmen.«

Kerstin winkte ab.

»Auf gar keinen Fall.«

Ich wollte mich gar nicht wehren und war doch insgeheim froh nicht fahren zu müssen. Nicht des Fahrens willen, sondern um weiterhin in ihrer Nähe sein zu dürfen.



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